CGS 2nd Workshop: “Nazism and the Nazi scientists”

 

Programm
Date: March 18 th , 2004 (Thursday) 13:30 - 15:30
At: University of Tokyo , Komaba Campus. Building 8, Room 306 (3 rd Floor)


■Presentation: Susanne Heim (Max Planck Institute)

Outline

 

PD Dr. Susanne Heim

Forschungsprogramm der Max-Planck-Gesellschaft

"Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus"

Vortrag im Deutschen Seminar der Universitat Tokyo, Komaba, 18.3.2004

Das Forschungsprogramm "Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus" hat seine Arbeit 1999 aufgenommen. Es wird von der Max-Planck-Gesellschaft finanziert und untersteht einer unabhangigen Kommission unter dem Vorsitz der Historiker Prof. Dr. R. Rurup und Prof. Dr. W. Schieder. Das insgesamt auf 6 Jahre angelegte Programm hat zur Aufgabe, den spezifischen Beitrag der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), der Vorlauferorganisation der Max-Planck-Gesellschaft, und ihrer Wissenschaftler zum nationalsozialistischen System umfassend zu untersuchen.

Zu den Schwerpunkten der historischen Forschung gehort neben der Rustungsforschung und der biomedizinischen Forschung auch die sogenannte Ost- und "Lebensraum-"forschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten (KWI).

Die Eroberung groser Teile Osteuropas durch die deutsche Wehrmacht hatte auch auf wissenschaftlichem Gebiet weitreichende Folgen. Die Wissenschaftler in den auf Agrar- und Ernahrungsforschung spezialisierten Instituten der KWG reformulierten ihre Forschungsziele im Hinblick auf die Ostexpansion und nutzten in hohem Mase wissenschafltiche Ressourcen der besetzten Lander. Sie arbeiteten an der Zuchtung von Pflanzen und Tieren, die den Boden- und klimatischen Bedingungen der eroberten Ostgebiete angepast waren sowie an der Rationalisierung der Landarbeit auf den deutschen Siedlerbauernhofen im Osten. In einem Grosversuch an auslandischen Zwangsarbeitern versuchten Forscher des KWI fur Arbeitsphysiologie - ausgehend von der Annahme rassischer Differenzen - herauszufinden, ob bei gleichen Essensrationen italienische oder sowjetische Zwangsarbeiter mehr Leistung erbrachten.

Die wissenschaftlichen Bemuhungen um eine Steigerung der Agrarproduktion standen im Kontext der nationalsozialistischen Autarkiepolitik, die Deutschland im Krieg von Uberseeimporten unabhangig machen sollte. Die Blockade der Seewege hatte u.a. den Import von Kautschuk, einem kriegswichtigen Rohstoff, zum Erliegen gebracht. In einem weitverzweigten Forschungsverbund unter Leitung der SS und fuhrender Beteiligung des KWI fur Zuchtungsforschung versuchten deutsche Wissenschaftler daher, eine Kautschukpflanze zu zuchten, die den europaischen Klimabedingungen angepasst war. Zu diesem Zweck wurden Saatgut und Anbauflachen in Polen und der Sowjetunion beschlagnahmt, auf den Kautschukfeldern musten sowjetische Frauen und Kinder Zwangsarbeit leisten. Zur Forschung an der Kautschukpflanze wurden im KZ Auschwitz Haftlinge in Laboren und Gewachshausern eingesetzt. 1944 verlagerte auch das KWI fur Zuchtungsforschung seine Kautschukpflanzenabteilung nach Auschwitz.

Die kriegerische Expansion Richtung Osten eroffnete den deutschen Wissenschaftlern neue Forschungshorizonte. Mit dem Uberfall auf die Sowjetunion standen ihnen die dortigen Forschungsinstitute offen, in denen manche von ihnen Leitungsfunktionen ubernahmen. Sie verschafften sich Zugriff auf die kostbaren sowjetischen Wildpflanzensortimente, wichtige genetische Ressourcen fur die zuchterische "Verbesserung" von Nutzpflanzen. Bei der Raumung der besetzten Gebiete wurden Saatgut- und Pflanzensammlungen dann moglichst nach Deutschland gebracht und den dortigen Instituten einverleibt. Oder aber sie wurden von den abziehenden Truppen vernichtet, wohl wissend, dass dies fur die zuruckbleibende Zivilbevolkerung Hunger bedeutete. Fur die deutschen Wissenschaftler stellten die exzellenten Forschungsbedingungen, die sich ihnen im Krieg boten ? neue Karrierechancen und Zugang zu begehrten wissenschaftlichen Ressourcen ? die materielle Grundlage ihrer Kooperation mit dem NS-Regime dar. Insofern ist die Rede vom "Missbrauch der Wissenschaft" durch den Nationalsozialismus irrefuhrend; Wissenschaft und Politik gingen ein Kooperationsverhaltnis zum beiderseitigen Vorteil ein.